Durch ihre minimalistische Konzeption und ihre deutlich zu sehen- und zu spürende "Made in Western Germany" Qualität längst vergangener Tage machen diese Kameragehäuse richtig Lust auf fotografieren im eigentlichen Wortsinn: das langsame Herantasten an ein Motiv in einer ganz besonderen Lichtsituation und das Festhalten dieses Augenblicks sach- und fachgerecht auf einem Rollfilm - eben das im Wort FOTOGRAFIEREN bereits angelegte "Malen mit Licht", das im digitalen Zeitalter verlorengegangen ist und oft einem ständigen "knipsenden Bildermachen" mit seiner unendlichen Bilderflut ohne Bildaussage gewichen ist.
Die hohe haptische, solide Qualität der beiden Kameragehäuse, die beide außer ihrer "Belederung" komplett aus Metall bestehen, ihre auf das fotografisch Wesentliche reduzierte Konstruktion und das raumsparende Klappkonzept haben mich davon überzeugt, beiden Kameras handgefertigte, nagelneue und nicht gerade günstige Qualitätsbälge aus China anzupassen und ihnen damit einen neuen, störungsfreien Lebenszyklus zu ermöglichen. Diese "Operation" ist nicht einfach und nur für geschickte Bastler zu empfehlen ! Erschwerend kommt hinzu, daß es - zumindest bei dem Hersteller aus China - maßgeschneiderte neue Bäge nur für die Isolette gibt - der Isoletten-Balg muß für das kleinere Adox-Golf Bildfenster angepasst werden, die vordere Metallplatte für das Objektiv muss unbedingt vergrößert werden, da ansonsten Lichtlecks vorprogrammiert sind...
Kompaktes Mittelformat auf kleinem Raum mit kleinstem Aufwand war schon immer mein Wunsch, nachdem ich sehr viel mit großen, schweren und unförmigen Spiegelreflex Modul-Mittelformatkameras fotografiert habe. Auch die Bildqualität stimmt: beide Kameras besitzen gute Triplet-Objektive, die bei angemessenem Abblenden (!), genauem Fokussieren, passender Lichtsituation und verwacklungsfreiem Fotografieren auch randscharfe Negative produzieren - in den Spitzenmodellen der Serie wurden dereinst vierlinsige Tessarobjektive verbaut, die aus meiner Sicht den opulenten Mehrpreis auf dem heutigen Second-Hand-Markt keineswegs wert sind, sowohl das ADOXAR als auch das AGNAR sind (entgegen vielfach geäußerter Statements...) leistungsfähige Standardobjektive, die bei angemessener Verwendung (!) kontrastreiche und scharfe 60x60mm große Negative liefern - ein gutes Beispiel für die erstaunliche Leistungsfähigkeit von gut konstruierten Triplet-Objektiven lieferte einst das Vergrößerungsobjektiv TRINAR von Rodenstock...
Die Quelle von Unschärfen sind meist "Verwacklungen" sowie eine fehlerhafte Fokussierung. Die genaue Fokussierung im Nahbereich wird durch die im Mittelformat übliche Normalbrennweite der verbauten Objektive von 75mm (Adox) und 85mm (Agfa) sehr erschwert, im Kleinbildformat wäre das ja bereits im Bereich eines Portrait-Teleobjektivs mit seinen geringen Toleranzen. Zudem sind die Verschlusszeiten altersbedingt wesentlich langsamer als sie eigentlich sein sollen, beide Kameras sind eigentlich bei schlechten Lichtbedingungen, ISO100 Filmen und Interesse an scharfen Negativen "stativpflichtig", was sie bei korrekter Einstellung der Entfernung und einer Mindestblende von 8-11 mit knackscharfen Bildern belohnen. Eine gute Lösung sind ISO400-Filme und eine "gepushte" Entwicklung um einen Blendenwert, der Formatvorteil hält das aus und ermöglicht damit starkes Abblenden.
Es ist nicht ganz einfach, beide Kameras zu guten, technisch einwandfreien Bildern zu überreden - es erfordert Zeit und solides fotografisches Know-How, da sämtliche Parameter, die maßgeblich über die Qualität des Bildes entscheiden (Verschlusszeit, Blendenwert, Entfernung...) ermittelt UND eingestellt werden müssen, wer kennt heute noch die "sunny sixteen"- Regel...?
Im Endeffekt führte es dazu, daß die Hersteller in den Folgejahren zunehmend "Automatik-Funktionen" in ihre Amateur-Kameras verbauten, um den hohen Anteil an technisch unbrauchbaren Bildern und damit unzufriedenen Kunden zu verringern...
Im Übrigen sind beide Kameramodelle nahezu gleichwertig, die Adox Golf ist etwas kompakter und leichter als die ISOLETTE und hat eine vorteilhafte Doppelbelichtungssperre, beide besitzen den gleichen Pronto-Verschluss mitsamt der im Verschluss verbauten hochwertigen Blendenmechanik und einem Selbstauslöser, beide haben die gleiche Frontlinsenverstellung für die Entfernung und den gleichen Filterdurchmesser (30mm) für Aufsteckfilter in der Schwarzweiß - Fotografie.
Kurzum: Wenn man sich sowohl für den fotografischen Weg zum guten fotografischen Bild als auch für das fertige fotografische Endprodukt interessiert dann sind diese beiden altehrwürdigen Kameragehäuse für das Mittelformat eine perfekte Lösung - sie ermöglichen Fotografie pur und sind mit neuen Bälgen quasi "für die Ewigkeit" gebaut.
Beim herkömmlichen Verbrennungsmotor gilt schon immer die alte Weisheit, daß die Größe des Hubraums durch NICHTS (!) zu ersetzen ist - in der analogen Fotografie gilt diese Regel für die Größe des Negativformats: das Rollfilmformat 60x60 ist fast viermal (!) so groß wie das Kleinbildformat, was einen gravierenden Auflösungsvorteil bedeutet. Im krassen Gegensatz zur heute allgegenwärtigen Digitalfotografie mit Smartphone oder Kamera entscheidet jedoch bei diesen beiden analogen Kameras letztlich die fotografische Kompetenz der Person HINTER der Kamera in erster Linie über die technische Qualität des fotografischen Bildes !
Welches enorme Leistungspotential in einer alten Agfa Isolette mit dem Objektiv Agnar 4,5/85 steckt, wenn sie kenntnisreich bedient wird, zeigt dieses eindrucksvolle Video - das "gehypte" Solinar 4,5/75 kann das sicher auch nicht wesentlich besser...
LINK ZUM VIDEO...Die folgenden Bilder entstanden mit der ADOX Golf, Kentmere 100 + Adonal, "geprinted" wurde auf Agfa Record Rapid und Agfa Multicontrast classic...