AusstellungsbildNichts ist mir zu klein und ich lieb es trotzdem
und mal es auf Goldgrund und groß,
und halte es hoch, und ich weiß nicht wem
löst es die Seele los,...

R.M.Rilke, 1899

Anmerkungen zu meinen fotografischen Bildern

Die Leitmotive meiner Bilder finden sich unschwer in der psychologisierenden Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts in Skandinavien: Suggestive Expressivität sowie eine subtil-introvertierte Geisteshaltung verbinden meine Ausdruckswelt mit den spirituellen Landschaften der Nordländer (u.a. Liljefors, Sohlberg, Kielland, Simberg...), deren Bilder weitaus mehr wollen als schlichte Schilderung der Realität.

Die Gemeinsamkeit erwächst im wesentlichen aus einer Kombination von Realismus und Abstraktion, ein Ergebnis von bildkünstlerischen Experimenten der romantischen und symbolistischen Malerei im 19. Jahrhundert, die eher auf das Evozieren von Emotionen als auf eine realistisch abbildende Wiedergabe abzielten. In einer Art "kreativer Imagination" geht es mir auch um eine abstrakt-suggestive Struktur aller fotografischen Ausdruckselemente, die in Form und Bedeutung letztlich zu einer Synthese verschmelzen, welche der MUSIK sehr ähnlich ist, ganz im Sinne des Kunstkritikers Walter Pater (1839-1894) aus dem viktorianischen England , wonach alle Kunst beständig dem Zustand der Musik entgegenstreben soll.

So gesehen verstehe ich meine fotografischen Bilder auch als "visuelle Kammermusik", die mit den wirkungsreduzierten Mitteln der analogen Schwarz/Weiss-Fotografie und einem feinst ausbalancierten Grautonwertarrangement ein subtil-rhythmisiertes Gespinst visueller "Poesie pure" repräsentiert, wobei ich stets auf der Suche bin, das musikalische Potential "hinter" dem Bildinhalt zu erschließen und für den sensibel reagierenden Betrachter sichtbar bzw. fühlbar zu machen.







Le Jardin Féerique...

Einzelausstellung 2005 im Alban Wolf Saal, Historisches Pfarrhaus Wiesentheid, siehe auch HIER



Sitzt man an einem frühen, warmen Sommerabend auf irgendeinem der zahlreichen steinernen Canapés am großen Bassin, dem kompositorischen Zentrum des Veitshöchheimer Hofgartens, in allerbester Gesellschaft von immerhin acht olympischen Götterfiguren als den Garanten einer göttlichen Ordnung, beginnt mit dem sonoren Stundenschlag der nahegelegenen Kirchturmuhr von St. Vitus ein in der Abendsonne glitzernder Auftritt der hohen Wasserfontänen rings um den Parnass inmitten des großen Sees, der angenehme Kühle verbreitet und mit einem sanft-meditativen Tanz Augen und Ohren verwöhnt - nach den Erlebnissen der streng geometrisch in Schach gehaltenen Natur des Gartens eine wohltuende Abwechslung und ein willkommenes Innehalten im Verlauf eines langen und schweisstreibenden fotografischen Tagwerks.

Da ist sie wieder, diese eigenartige, sublim versteckte Magie des altehrwürdigen Gartens, die der unglückliche musikalische Lyriker Armin Knab 1930 in einer seiner lesenswerten fränkischen Reiseerinnerungen einfühlsam beschreibt und die dem meist hektisch promenierenden Besucher wohl für immer verborgen bleibt: eine seltsam entrückte, kaum begreifbare Poesie einer melancholischen Abschiedsvorstellung der fragwürdig gewordenen höfischen Welt am Ausgang des 'Grand Siècle', die von der anmutig-bukolischen Oberfläche des kostbaren Rokoko-Gartenjuwels überdeckt wird.

Es ist die nie enden wollende Faszination dieser seltsam inspirierenden 'Aura', die mich immer wieder unwiderstehlich in das kleine irdische Paradies lockt und mit dem wechselnden Licht des Tages und den Verwandlungen der Jahreszeiten ständig neue Akzente entfaltet - der geheimnisvoll-bizarre Gesichtsausdruck der Ferdinand Tietzschen Figurenwelt aus Faunen, Nymphen und Najaden in der Laubenregion, der dunkle, wundersame Charme des Irrgartens mit seinen alten Bäumen und den fremden, exotischen Pavillons, die großzügige, gleichermaßen helle und anmutige Klarheit der Seenregion, die formale Strenge der Dreieckszone mit einem rundum verspielten Muschelhaus, die Allgegenwart einer Enfilade von Laubengängen, Plätzen, Rondellen, Heckenkorridoren, Alleen, Blickachsen, Sälen und Kabinetten, die an eine Freiluft-Schlossarchitektur jener Zeit erinnert - aber nicht zuletzt auch an unvergessene Bilder und Kameraführung in Alain Resnais' enigmatischem Film 'L'année dernière à Marienbad'...

In einer langen inneren Reise, gestützt und inspiriert durch den vibrierenden Atem der Musik von Maurice Ravels 'Le Jardin Féerique', reifte allmählich die Idee, die emotionalen Spuren meiner sich zusehends häufenden 'Gartenpromenaden' in ein fotografisches Infrarot-Schwarz/Weiss-Projekt zu verwandeln - selbstverständlich mit dem langsam-bedächtigen Workflow einer bis zum fertigen Bild vollständig analogen Manier, unter Zuhilfenahme einer klassischen Mittelformatkamera.
Ohne Pathos und mit subtiler grafischer Unaufdringlichkeit versuchen die Bilder etwas vom staunenswerten köstlichen Zauber des Veitshöchheimer Hofgartens zu erzählen...

© Reinhard Brunsch 2005             

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