In der germanischen Eisenzeit fand ein markantes Umdenken in der Holzschiffbaugeschichte Nordeuropas statt: die im antiken Schiffbau des Mittelmeerraums übliche Kraweelbeplankung (Planken liegen Kante an Kante) des Rumpfskeletts von Kiel und Spanten wurde von der Klinkerbauweise abgelöst, bei der die jeweils obere Planke die weiter unten liegende Planke überlappt, quasi wie bei einer Dacheindeckung mit Ziegeln.
Während der Fahrt erzeugten die in der Schiffsachse "parallel" verlaufenden zahlreichen Holzkanten an den beiden Rumpfseiten ein stabilisierendes Ausmaß an Seitenführungskräften, was trotz der einfachen Rahbesegelung zu ordentlichen Segelleistungen der Schiffe führte. Zudem begünstigte die Klinkerbauweise des Rumpfes die Entstehung von Luftblasen während der Fahrt, die wegen geringerer Reibungskräfte höhere Geschwindigkeiten ermöglichte.
Anfänge der Entwicklung zum Klinkerbau zeigt das älteste aus Dänemark bekannte Hjortspringboot (350 v.Chr), zwei wesentlich jüngere archäologische Funde aus dem 4. Jahrhundert n. Chr. geben Aufschluss über die stetig fortschreitende skandinavische Bootsbauskunst: sowohl das in Schweden gefundene BJÖRKE-Boot als auch das im Süden Jütlands im 19. Jahrhundert ausgegrabene NYDAM-Boot, das zwar noch kein "Kielschwein" (Mastfuß) hatte und deswegen nur gerudert wurde, aber mit seinem hohen Vorder- und Achtersteven und den genagelten Klinker-Planken dem im frühen Mittelalter entstandenen Schiffstyp "Wikingerschiff" bereits sehr ähnlich war.
Das überaus spektakuläre NYDAM-Boot war quasi ein hochseetauglicher militärischer "Truppentransporter" für 45 Mann Besatzung und befindet sich heute in der Nydam-Halle von Schloss Gottdorf in Schleswig-Holstein.
Mit dem mörderischen Überfall von kriegerischen Wikingerhorden auf das entlegene Kloster Lindisfarne-Abbey im damaligen Königreich Northumberland am 8.6.793 beginnt überlicherweise das "Wikingerzeitalter", das 1066 mit der Schlacht im englischen Hastings endete.
Das Kloster auf der Gezeiteninsel Lindisfarne war ein bedeutendes kirchliches und wissenschaftliches Zentrum im Nordosten der britischen Insel und hatte damals große Ausstrahlung auf den Kontinent. Die Mönche wurden bei dem Angriff getötet oder versklavt und das gesamte wertvolle Inventar des Inselklosters geplündert, zurück blieben lediglich rauchende Trümmer. Genau dieser martialischen Episode verdanken die Wikinger ihren ziemlich üblen Ruf als erbarmungslose Plünderer, Mörder und wilde, unerbittliche Kämpfer. Bis heute existiert der Begriff des "Berserkers", der als berauschter Elitesoldat der Wikinger auch bei schwersten Verletzungen nicht zusammenbrach und einen unbezwingbaren Kampfeswillen besaß.
Die militärischen, taktischen und maritimen Fähigkeiten der "Nordmänner" zusammen mit ihren einzigartigen Schiffsbaukünsten bahnten ihnen den Weg zu den Reichtümern des christlichen Europas. Hinzu kommt das von Wikingern eingeführte "Danegeld", eine Steuer, die den Herrschern der von ihnen überfallenen europäischen Regionen abgetrotzt wurde - damit konnten diese sich quasi vor weiteren Überfällen freikaufen. Riesige Summen und Wertgegenstände wechselten in der Wikingerzeit ihre Besitzer...
Die Wikinger - das waren die seefahrenden und kriegerischen Angehörige verschiedener Völker des skandinavischen Nordens, die mit vielfach behaupteten, in zahlreichen Filmen oder auch in Comics ("Hägar der Schreckliche"...) gezeigten "gehörnten Kampfhelmen" viel Schrecken im christlichen Europa verbreiteten. Dabei gab es die typischen Helme der nordischen Krieger mit den zwei Hörnern links und rechts nach wissenschaftlichen Erkenntnissen nie - seit Richard Wagners Bayreuther Uraufführung seines Opernzyklus "Ring des Nibelungen" im Jahr 1876 wird dieser martialische Helmtyp mit den Nordmännern in Verbindung gebracht - die Geschichte des frühen Mittelalters hätte damit vermutlich einen anderen Verlauf genommen, ein Krieger mit dem militärisch völlig untauglichen ausladenden "Kopfschutz" wäre eine leichte Beute für jeden Gegner gewesen, der Helm entstand schlichtweg in der beruflich bedingten blühenden Fantasie der damaligen Opernspielleiter und Regisseure und hat sich bis heute unauslöschlich in vielen Köpfen gehalten...
Die geschickten Schiffszimmerleute der Wikinger brachten im frühen Mittelalter zwischen 600 und 1050 n.Chr. die planerisch und handwerklich anspruchsvolle Kunst des Baus von großen Schiffen, mit denen man rudern UND segeln kann und die in der Lage waren große Entfernungen auf den Meeren zurückzulegen, zu einer einzigartigen Vollendung: die hohe Qualität der schiffbaulichen Konzeption, optimal gewähltes Baumaterial und eine kunstvolle handwerkliche Ausführung des komplizierten und kräftezehrenden Schiffbaus ist dabei eine deutlich erkennbare Verbindung mit einer bestechenden Schönheit und elegant geschwungenen Linien eingegangen - frühmittelalterliches Produktdesign vom Feinsten...
Die Schiffsbaukunst der Wikinger ist archäologisch gut dokumentiert, sogar eine Holzkiste mit den zum Schiffbau verwendeten Eisenwerkzeugen für die Holz- und Metallbearbeitung (näheres gibt's hier) wurde 1936 bei der Trockenlegung eines Moorgebiets in Mästermyr auf der schwedischen Insel Gotland gefunden - auch eine Handsäge, deren Existenz im Werkzeugarsenal der Wikinger vielfach bezweifelt wird, war dabei...
Das größte bisher gefundene militärische Langschiff mit 36 Metern Länge und geschätzten 3,5 Metern Breite ist das im dänischen Roskildefjord/Seeland gefundene Wrack der Roskilde 6, die am besten erhaltenen Exemplare wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts bei Oseberg und Gokstad in Südnorwegen ausgegraben, beide Schiffe wurden aus Eichenholz gebaut und gehörten wie die Roskilde 6 jeweils zum Typ der Langschiffe (Langskip), die als Kriegsschiffe (Herskip) eingesetzt wurden. Für den Kiel des Gokstadschiffes verwendeten die Schiffshandwerker einen 25 Meter langen, geradfaserigen Eichenstamm - eine Baumlänge, die heute in ganz Norwegen nicht mehr zu finden wäre.
Die Steuerung des Schiffs erfolgte durch ein langes Eichenbrett als Ruder, das am hinteren Teil der rechten Außenbeplankung mit einem Lederriemen befestigt war - der Begriff "Steuerbord" für die rechte Seite (vom Heck aus gesehen) eines Wasser- oder Luftfahrzeugs geht auf diese Praxis zurück.
Die archäologisch nachgewiesene Präsenz eines Schiffes im heidnischen Bestattungsritual der Wikinger zeigt die allgemein große Bedeutung der Schiffe für deren gesellschaftliche Kultur, wobei die Größe des hölzernen "Grabschiffes" ein Zeichen für Bedeutung, Macht und Einfluss sowie Wohlstand der verstorbenen Personen gewesen ist, aber vielleicht war das Schiff auch ein Symbol für die spirituelle Reise nach dem Tod ins Jenseits...
Erfolgreiche, mutige und gefürchtete Krieger und Seefahrer, Entdecker, Eroberer, Seeräuber, Piraten und Handelstreibende wie die Wikinger waren äußerst abhängig von hohen Allround-Qualitäten ihrer Seefahrzeuge - ihre konkurrenzlosen, hochentwickelten Wikingerschiffe brachten die notwendigen Grundvoraussetzungen dafür mit: hochseetüchtige, schnelle, wendige, segel- und ruderbare Schiffe für lange Reisen in relativ kurzen Zeiträumen, geringer Tiefgang, stabil, flexibel und hochbelastbar waren ihre zentralen Eigenschaften. Der geringe Tiefgang erlaubte auch das Fahren auf Flüssen und das leichte Anlanden an Stränden, von wo sie nach getanen Beutezügen genauso leicht schnell wieder verschwinden konnten. Neben zahlreichen anderen Umständen führte dies letztlich dazu, daß in der Geschichte des Ostseeraums eine ganze Epoche den Namen dieser Volksgruppe trägt...
Prinzipbedingt ist dieses Scale-Modellschiff ein lupenreines Standmodell !
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