enigma-line Röhren-Kopfhörerverstärkermodul  AUDICULA-I


© Reinhard Brunsch

'À la recherche du son perdu' oder auch 'Auf der Suche nach dem verlorenen Klang', viertes Kapitel...

Audicula-I
AUDICULA-I KHV-Modul mit zwei Neutrik Kopfhörerbuchsen.

Nahfeldmonitore sind spezielle Studio-Lautsprecherboxen, die für einen im engen Abhörraum zwangsläufig entstehenden kurzen Abstand von Schallquelle und wahrnehmenden Ohr konstruiert sind: durch diese geringe Distanz übertragen sie in der anstrengenden analytischen 'Hörarbeit' eines Produktions-Studios die akustische Wahrheit bis ins allerkleinste Détail und blenden zudem vorhandene raumakustische Störfaktoren wie Absorptionen und Reflexionen weitgehend aus, sind also gewissermaßen optimierte akustische Werkzeuge für das Monitoring bei einer Studioproduktion.

Bei einem Kopfhörer wird dieses 'Nahfeld' auf die Spitze getrieben: es leuchtet jedem ein, daß eine völlig unnatürliche und unmittelbare Ankopplung des 'Schallsenders' an den Schallempfänger Ohr ungewöhnliche Folgen für die Wahrnehmung von Schallereignissen hat. Im Gegensatz zu den normalen und natürlichen Hörvorgängen mit ihrer Laufzeitverzögerung zwischen den beiden Ohren sowie der individuellen Filterwirkung des Außenohres werden mit dem Kopfhörer die akustischen Reize jedem Schallempfänger völlig separat zugeführt.
Bedingt durch das damit verbundene Fehlen der HRTFs (Head Related Transfer Function) und der Abwesenheit der normal üblichen Raum- und Richtungsinformationen entsteht dabei - insbesondere bei der Verwendung von geschlossenen Kopfhörermuscheln - eine ungewöhnliche Lokalisierung der Schallereignisse im Kopf (IKL).
Diese völlige Veränderung der räumlichen Perspektive und Orientierung durch die 'ImKopfLokalisation' sorgt bei nicht wenigen Musikliebhabern für eine Ablehnung der Kopfhörerwiedergabe, obwohl sich die in zentralen akustischen Bereichen wie Frequenzumfang und Verzerrungsfreiheit erreichbare Qualität der Musikreproduktion im Vergleich zu einer lautsprecherbasierten Wiedergabe ohne größere finanzielle Opfer realisieren lässt - vorausgesetzt man lässt sich nicht unnötigerweise auf die typischen "Lifestyle-Gerätschaften" im schwindelerregenden Hochpreissegment ein...
Hinzu kommt das völlige Fehlen ungünstiger Einflüsse der vielfältigen wohnraumakustischen Parameter: ein Wohnraum ist nunmal kein akustisch optimiertes Abhörstudio, sondern ein zur Erzeugung eines möglichst originalgetreuen Wiedergabeschallfeldes im Regelfall außerordentlich problematisches Raumgebilde, dessen akustische Dämpfungseigenschaften auch mit richtig guten und auch kostspieligen Lautsprecherboxen nicht bzw. nur außerordentlich schwer beherrschbar sind - bei einem hochentwickelten Kopfhörer wird der perfekte "Abhörraum" quasi 'mitgeliefert', - der trotz anderslautender Behauptungen prinzipbedingt sehr wenig Ähnlichkeit mit dem realen Aufnahmeraum hat, da helfen auch die häufig vorgeschlagenen "Imaginationsübungen" nicht weiter, eine akustische "Konserve" ist nunmal nicht mehr als eine "Konserve"...

Die Tatsache, daß Kopfhörertreiber die einzigen phasenreinen und damit u.a. 'zeitgleichen' Vollbereichsschallwandler sind, ohne die technisch bedingten Probleme der üblicherweise passiven Frequenzweichen von Mehrweglautsprechern und ohne den unvermeidlich eingeengten Frequenzbereich von Breitbandlautsprechern, spielt bei der extremen Wiedergabepräzision eines guten Kopfhörersystems - neben diversen anderen Faktoren - ebenfalls eine große Rolle: Prinzipbedingt sind aufwändig konzipierte, optimal ausbalancierte und hochwertige Kopfhöreranlagen nach meinen Hörerfahrungen in vielerlei Hinsicht und hier ganz besonders sowohl in dynamisch extrem fordernden Grenzbereichen als auch in der virtuellen Tiefenausdehnung des Klangraums - selbstverständlich ausschließlich mit optimal gespeichertem, anspruchsvollen Quellmaterial - den allerbesten (!) Lautsprechersystemen - auch denjenigen am extremen Ende der nach oben offenen Preisskala und auch in akustisch abgestimmten Räumen - meilenweit (!!) überlegen, von einer oft zitierten "realistischen Musikreproduktion", die der Wirklichkeit entspricht, ist das akustische Potential beider Schallwandlersysteme auch bei allerhöchstem technischen Aufwand jedoch mindestens genauso meilenweit entfernt wie das optische Potential eines Abbilds eines Objekts vom realen Objekt selbst...

Leider ist die Fähigkeit zum präzisen und differenzierenden Hören im optischen Zeitalter (der Titel eines grundlegenden Fachbuches von ''Karel Pech''...) und damit auch die damit verbundene musikalische Urteilsfähigkeit durch permanenten Konsum von 'Dudelfunk' und massenhaft verbreitete akustische 'Dauerberieselung' mit musikalisch 'schrottreifem' Material vielfach komplett abhanden gekommen.
Ich bin keineswegs der 'audiophile' 'Kopfhörerfan' im Sinne eines technikverliebten Gerätefetischisten, ständig auf der Suche nach dem vermeintlich 'besseren' Sound - das Wandlersystem Kopfhörer ist für mich trotz seiner prinzipiellen Nachteile ein unvergleichlich detaillierter Vermittler bei der elektroakustischen Reproduktion von Musik, da kann das Wandlersystem Lautsprecher auch im besten Fall schlichtweg nicht mithalten.
Wer sich der immensen Informationsdichte anspruchsvoller, optimal aufgenommener und nicht datenreduzierter Musik gewachsen fühlt und den Klangereignissen gerne auf den Grund gehen möchte, wem es ein köstliches Vergnügen bereitet, in die Intimität filigraner Dynamikregionen musikalischer Zusammenhänge vorzudringen oder in ihre emotionale Tiefendimension einzutauchen, wer es interessant findet, sich mit einer klarsichtigen Akustik-Lupe ausgestattet auf erhellende musikalisch-analytische Erkundungen ohne Außenstörungen einzulassen - kurz gesagt: wem die Intensität des disziplinierten und konzentrierten Zuhörens ein echtes Anliegen ist, der wird das ganz außergewöhnliche Hörerlebnis mit einer exzellenten Kopfhöreranlage jeder Lautsprecherwiedergabe vorziehen. Nach einer notwendigen Eingewöhnungszeit, die eigentlich eine Lernphase ist, eröffnet sich in dieser besonderen akustischen Nische eine ungewöhnlich reiche, wunderbare Welt der subtil-differenzierten musikalischen Nuance...

Audicula-I mit AKG K-141 Monitor
AUDICULA-I mit AKG K-141 Monitor

Dabei stellt sich die typische Detailpräzision beim Hören mit Kopfhörern ohne einen in die Höhe getriebenen Aufwand nicht ein: das breit aufgefächerte Informationsspektrum komplexer Musik erschließt sich erst durch ein souveränes Zusammenspiel von akustischem Potential von Schallwandler und elektronischem Leistungspotential seiner Versorgungsquelle - nicht alle, aber sehr viele interne Kopfhörerverstärker von HiFi-Komponenten verwenden billigste Bauteile und einfachste Schaltungstechnik, was häufig auch für viele der häufig verführerisch verpackten externen Modelle zutrifft.

Diese Überlegungen führten zum AUDICULA-I Voll-Röhren-Kopfhörermodul für Kopfhörersysteme mit dynamischem Wandlerprinzip und Treiberimpedanzen ab 300 Ohm.

Das Ziel war dabei, einen von Störspannungen freien, lupenreinen Class-A/Single-End Triodenklang auf meinen seit Jahren von mir heißgeliebten AKG-Kopfhörer, den geradezu klassischen supraauralen AKG-K141-Monitor zu übertragen. Das Schaltungsdesign des Verstärkers stellt dabei keine Neuerfindung der Röhrenelektronik dar, ist aber enigma-line-typisch frei von akustisch völlig nutzlosem (Stichwort: akustische Fata Morgana...) und somit auch überflüssigem Voodoo-MUMPITZ, ist konsequent auf hohem Niveau konzipiert und angemessen umgesetzt: transformatorlose, zweistufige Standard-Triodenschaltung ohne Gegenkopplung, ausgelagertes, großzügig dimensioniertes und komplett über Taster relaisgesteuertes Netzteil in aktueller Halbleitertechnik mit stabilisierter Heiz- und Anodenspannung sowie verzögertem Zuschalten der Röhrenhochspannung.
Für eine optimale Partnerschaft bringt der AKG K-141 Monitor alle notwendigen Voraussetzungen mit - es gibt diesen inzwischen aus der Produktpalette von AKG leider verschwundenen, legendären halboffenen Kopfhörer mit seinem unnachahmlichen Kult-Status schon seit den frühen neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts.

Selbstverständlich kann der K-141 im Vergleich mit den kostspieligen und hochgezüchteten aktuellen dynamischen Kopfhörermodellen diverser Hersteller klanglich nicht mehr mithalten, da fehlen ganz einfach einige Jahre konsequenter Weiterentwicklung der Kopfhörerakustik - seine tonale Abstimmung und akustische Handschrift ist für meine Hörgewohnheiten durchaus immer noch akzeptabel.
Mit den Beyermodellen teilt der K141 Monitor die für das OTL-Schaltungsdesign wünschenswerte hochohmige Anschlussimpedanz, die eine beim Monitoring im Studiobetrieb häufig praktizierte Parallelschaltung mehrerer Kopfhörer ermöglicht - zusammen mit der typischen Frequenzlinearität hat dies den K141 Monitor zu dem am weitesten verbreiteten Kopfhörer in den Tonstudios der Welt gemacht.

enigma-line Audicula I, Detailansicht
AUDICULA-I Détailansicht von vorne; deutlich zu erkennen sind die 'long-plate' Anodenbleche der 6211-Doppeltriode
In zahllosen Hörsitzungen hat sich bestätigt, was anfänglich eher Wunschdenken gewesen ist: der geradlinige und grundehrliche AKG K141 Monitor, ein typischer Regiekopfhörer der nichts verschweigt und nichts beschönigt, läuft mit dem Röhrenverstärkermodul zu einer akustischen Hochform auf.
Für die nächsten Hörexperimente ist ein Zusammentreffen mit den relativ hochohmigen Top-Sennheisermodellen HD 650, HD 800 und dem neuen Beyerdynamik T1 geplant, die zwei Klinkenbuchsen bei einem meiner beiden Exemplare ermöglichen einen direkten A/B-Vergleich.

Wie beim 'Ultra Hi-End Headphone Amp' WA6-Special Edition von WooAudio ist auch hier ein externes Netzteilkonzept (siehe auch enigma-line Retro-Klangstellermodul) vorgesehen, das aber aus guten Gründen komplett mit modernen Halbleiterdioden bestückt ist. Mit einer ausgeklügelten und optimierten Verdrahtungstechnik stellt es eine präzise und auch bei maximalem Aufdrehen des Eingangspotis äußerst störspannungsarme Stromversorgung sicher, die einen Vergleich mit batteriegespeisten (!) Kopfhörerverstärkern kaum zu scheuen braucht: die gnadenlose Bewährungsprobe für die Stimmigkeit von Netzteildesign und Massekonzept in einem Röhrenverstärker ist bekanntermaßen der Kopfhörerbetrieb, der wie unter einem Mikroskop den kleinsten konstruktiven Fehltritt entlarvt und jede noch so winzige akustische Unregelmäßigkeit unbarmherzig hörbar macht ...
Audicula-I, hinteres Anschlussfeld
AUDICULA-I: das hintere Anschlussfeld mit Neutrik Buchsen.

Nach meiner Begeisterung im Zusammenhang mit der endgültigen Röhrenbestückung im enigma-line Retro-Klangstellermodul werden auch im Kopfhörerverstärkermodul zwei amerikanische 6211 Doppeltrioden von RCA eingesetzt, die hier genauso wie dort für subtilste Feinzeichnung und unglaublich detaillierte akustische Abbildung sorgen - zwei chinesische 12AT7 PSVANE Reference T-Series Röhren von Shuguang werden zwar ansprechend verpackt geliefert, gehören nach meinen Hörexperimenten aber eher in die Kategorie 'Pseudo-Edelröhren' und sind klanglich (und preislich) völlig indiskutabel.
Ein zweites Exemplar, dimensioniert für die sensiblen russischen Spanngitterröhren 6H23П (eine ECC88 Variante), die bereits als Phasenumkehrröhren in einem enigma-line 53 Verstärkermodul ihre überlegene Klangaura zum Besten geben, befindet sich zur Zeit noch im ausführlichen Hörtest.
Zur Schulung meiner Hördifferenzierung und sicher auch aufgrund anhaltender Hörbegeisterung sind noch weitere unterschiedlich bestückte Varianten geplant.

enigma-line Audicula II Netzteilmodul
AUDICULA-I Verstärkermodul zusammen mit Netzteilmodul


Bei den völlig überzogen sündhaft-teuren Kopfhörerverstärkern diverser 'namhafter' Hersteller allzu häufig nicht zu haben, hier ist es selbstverständlich und unterstreicht das hohe klangliche Niveau: eine angemessen hochwertige Ausstattung der Ein/Ausgangsschnittstellen des Verstärkermoduls mit Neutrik Cinchbuchsen bzw. Klinkenbuchsen als deutlich sichtbare Ausläufer eines dazu passenden Geräteinnern ...

Ein weiteres, wesentlich kostenintensiveres und technisch aufwändigeres Projekt aus der AUDICULA-Röhrenverstärker-Reihe für dynamische Kopfhörer ist ebenfalls fertig: der AUDICULA-II, auch ohne den üblichen Ausgangstransformator, mit modifizierter Schaltung, erweiterter unterschiedlicher Röhrenbestückung und äußerst strompotentem Netzteilmodul lassen sich trotz OTL damit auch Kopfhörertypen mit Impedanzen unterhalb der 100-Ohm-Grenze antreiben.

In freier Abwandlung des bekannten Prinzips WYSIWYG: WYHIWYG / What you hear is what you get...

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